Exhibitions & Text

2018
2017
  • no 4 – Franca Bartholomäi I Sabine Graf I Romy Julia Kroppe, Galerie ff15 Leipzig
  • Corriger la Fortune, Kunstverein Tiergarten Berlin
  • Opið hús, Nes Artist Residency Skagaströnd/Iceland
  • 3000 g from N. 65° 49′ 15.513“ W. 20° 18′ 19.499“ to N. 60° 27′ 16.028“ E. 22° 16′ 18.13“, B-galleria Turku/Finland
2016
  • Ich dachte, Sie wären nur ein armer Schlucker, Kunstraum Kommunalka Leipzig
2015
  • Leipzig malt – Alle Farben sind gleich schön. Wiensowski und Harbord Berlin
  • The Gardens, Vertretung des Freistaates Sachsen beim Bund Berlin
  • fliegende mücken – Ausstellung und Bookrelease, Ortloff Leipzig
  • INTERIM – Reclamstraße 51 Leipzig
  • Springboard – OKELA Bilbao
  • Springboard – Praline Offspace Leipzig
  • Meisterschülerausstellung – Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig
2014
  • Der fröhliche Gott, Ortloff Leipzig
  • Eins zu Eins, Kunsthalle der Sparkasse Leipzig
  • 4Rooms, Künstlerhaus im Schlossgarten Cuxhaven
  • fliegende mücken/mouches volantes, Praline Offspace Leipzig
2013
  • Jesses Maria! Alabama Sir Leipzig
  • Win Win, Halle 14, Ankaufsausstellung der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen Leipzig
  • Mitgift, Bildetage Wien
  • Mitgift, Praline Offspace Leipzig
  • Neuzugänge zeitgenössischer Kunst im Kunstfonds 2013, Vertretung des Freistaates Sachsen beim Bund Berlin
2012
  • Brest ↔ Leipzig. Landscapes in transformation, CAC Passerelle Brest, Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig
  • Natur 3d, Museum der Bildenden Künste Leipzig
  • Thailand, Diplomausstellung, Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig
  • Open Call, Westpol A.I.R. Space & Monaco Beach Club Leipzig
2011
  • Wishing you a very happy birthday good life, Konsoom Leipzig
  • Der unbedingte Gestaltungswille – Dekofestival, Praline Leipzig
  • Update-Junge Kunst aus Leipzig, Kunsthalle der Sparkasse Leipzig
  • Monster, dieschönestadt Halle / Saale
2010
  • Hotel Genial, Galerie Nord, Kunstverein Tiergarten Berlin
  • Miniatur Golf, dieschönestadt Halle / Saale
  • highest rated comments, Praline Offspace Leipzig

 

 

Atmosphären. Über die Arbeit von Romy Julia Kroppe

In seiner „Ästhetischen Theorie“ schrieb Theodor W. Adorno, dass Kunst aus „Mimesis und Konstruktion“ bestehe. Obwohl sich Kunst nicht mehr grundsätzlich an Darstellbarkeit orientiere, blieb für Adorno das Mimetische in der modernen Kunst zentral. Kunstwerke konstruieren das Material, das sie aus der Wirklichkeit beziehen, anders und im Grunde besser, weil konzentrierter. Sie kreieren einen Kosmos, in dem Teile nicht einem Ganzen untergeordnet sind. Dadurch ist aus Adornos Sicht bemerkenswerte Kunst Kritik an solchen gesellschaftlichen Verhältnissen, in denen das Einzelne dem fragwürdigen Gesetz eines Ganzen geopfert wird.1
Diese Überlegungen kann man auch anhand von Romy Julia Kroppes Malereien und Zeichnungen anstellen, ob es Großformate sind, auf denen keine bedeutungsschweren Sujets um Aufmerksamkeit buhlen, oder Tableaus aus kleinformatigen Bildern wie „fliegende mücken/mouches volantes“ (2014), wo Dutzende von Blättern mit auf den ersten Blick unscheinbaren Motiven ohne erkennbare Hierarchie oder Erzählung angeordnet sind. Mit großer Selbstverständlichkeit ist Traditionelles wie Pflanzen, Tiere, Geschirr und Gestühl zu sehen und werden Genres der Kunstgeschichte wie Landschaft, Interieur, Stillleben gepflegt, sind alltägliche Situationen und häusliche Szenen zu erkennen. Es sind zeitgenössische Innenräume mit vertrauten Zimmerpflanzen wie Drachenbaum, Dracaena Marginata, Außenbereiche, vielleicht von Einfamilienhäusern, mit Bassin und den obligatorischen weißen Plastikstühlen, Gartenstücke, das Dazwischen der Balkone mit Blumenkästen und Fenster mit Fensterbrettern. Es sind Sujets der Normalität. Banale Alltagssituationen, Teiche und Straßenkreuzungen mit Kreisverkehrsinseln werden gemalt und gezeichnet, in Mischtechnik, mit Acryl oder Edding auf Papier. Gegenstände sind präzise platziert und Detailreichtum lädt zum Betrachten ein. Tische sind mit Resten von ruhigen Abenden, lässigen Frühstücken, Gesprächen oder Parties übersät. Yucca- und Dattelpalmen kehren wie Signale südlichen Lebens immer wieder. Farbstark tanzend schwingen sich Badebekleidungen wie Schmetterlinge in die Luft („morlaix“, 2011). Ein Trauerort ist über und über mit brennenden Grabkerzen geschmückt. Auf einigen Bildern fallen seltsame Dinge auf, zu entdecken sind absurde Vanitas-Stillleben mit toten Tieren: Wasserlebewesen sind auf dem Trockenen zur ewigen Ruhe fixiert, Muscheln und Fischteile zu Souveniren verarbeitet und als Deko-Objekte ästhetisiert. Die Fenster- und Balkonsichten verweisen auf Zwischenwelten, noch nicht ganz draußen, nicht mehr richtig drinnen. Ausblicke sind allerdings durch in Büros übliche Faltjalousien verbarrikadiert; Türen stehen einladend offen, um den Blick in das Bild dann gegen Mauern prallen oder in Abgründe abstürzen zu lassen. Pools sind vermüllt. Die Landschaften sind keine natürlichen, sondern immer von Menschen gestaltete; die Bildausschnitte von Straßenrändern, Seen und Stränden sind meist menschenleer.
Die Motive findet Kroppe im Internet, skizziert sie vor Ort oder sie beutet eigene Fotografien aus. Man könnte sich Geschichten ausdenken. Die Blätter zeigen mal fein nuancierte Töne, mal trumpfen sie mit markanten Setzungen auf. Subtile Bearbeitungsspuren und dynamische Linien, leise und kräftige Zonen bilden eine bewegte Struktur. Sachlicher Zugriff und expressive Gesten, abstrahierende und weiche, sich auflösende Flächen fügen sich zu einem ruhigen Rhythmus, nichts ist zu viel. Perspektiven sind mal verzerrt, mal ausgewogen, streng komponierte Zonen stoßen auf unbearbeitete, die so roh belassen bleiben, wie es nötig scheint. Verschwimmend aquarellierte Partien erscheinen wie hinter Glas oder im Wasser und gewinnen durch Feinheiten im Vordergrund Räumlichkeit. Ein starker Kontrast bildet sich aus detaillierten oder detailliert erscheinenden Partien und solchen, die weitgehend unbestimmt sind.
Die Bilder tragen unbeteiligt und verwaltend-sachlich lautende Namen wie „Januar“ (2011), „11:37“ (2010), „apr 08“ (2010), „01.01.2011 15:57“ (2011). Manche Titel scheinen zunächst bedeutungslos oder spielerisch lautmalerisch („lliihholhiie“, 2013). Einige Blätter wurden auf Rechenpapier gezeichnet. Dieser Untergrund bringt ein technoides Element ein. Wie Zitate der Seerosen von Claude Monet aus einer Zeit rasanter Kapitalismusentwicklung wirken die Landschaftsbruchstücke auf manchen Blättern wie utopische Fluchten.
Forschendes Fragen und analysierendes Vorantreiben der bildnerischen Fragestellungen breitet Romy Julia Kroppe in ihrer Arbeit aus, Lösungen werden gesucht. „Im Raume lesen wir die Zeit“, so zitiert Karl Schlögel2 den Zoologen, Geografen und Reisenden Friedrich Ratzel. Wir lesen Orte, Regionen, Landschaften. In vielen Schichten legen sich Ereignisse, Verwerfungen, Veränderungen auf die Territorien, ideell, politisch und ganz materiell-geografisch. „Geschichte spielt nicht nur in der Zeit, sondern auch im Raum. Schon unsere Sprache läßt keinen Zweifel daran, daß Raum und Zeit unauflösbar zusammengehören. Ereignisse haben einen Ort, an dem sie stattfinden. Geschichte hat ihre Schauplätze.“3 Spuren werden überdeckt und wieder aufgedeckt, weil sie etwas Wichtiges zu erzählen haben und das Erinnern, das Gedenken und Nachdenken, Erlebnis und Gefühl, Eindruck und Ausdruck für bedeutsam erachtet wird. Karl Schlögel führt weiter aus: „Etwas zur Anschauung bringen können ist nicht die Sache von ein paar literarischen oder rhetorischen Tricks, sondern hat zunächst einmal die Anstrengung, sich eine Sache anzusehen, zur Voraussetzung. Alles bekommt dann ein anderes Aussehen und beginnt zu uns zu sprechen: Trottoire, Landschaften, Reliefs, Stadtpläne, die Grundrisse von Häusern.“4
Kunst kann Prozesse, Unausgegorenes, Nichtsprachliches zur Anschauung bringen. Sie kann den Dingen und Umständen zu einem anderen Aussehen verhelfen, ihnen eine Form geben. Die Trottoire, Landschaften, Reliefs, Häuser, Wohnungen vermögen zu sprechen.

 

Heidi Stecker, März 2015

 

 

1 in: Adorno, Gretel/Tiedemann, Rolf (Hg.): Ästhetische Theorie. Frankfurt am Main 1970; 13. Aufl., 1995, S. 39, 78f.
2 Karl Schlögel: Im Raume lesen wir die Zeit. Über Zivilisationsgeschichte und Geopolitik. Carl Hanser Verlag, München 2003
3 Ebda. S. 9
4 Ebda. S. 13